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Chinesisches Kommunikationsprotokoll zwischen Ladesäule und Elektrofahrzeug
GB/T 27930
GB/T 27930 ist der chinesische Standard für das Laden der Batterien von Elektrofahrzeugen. Weitere Ladesysteme sind das von europäischen und US-amerikanischen Herstellern favorisierte Combined Charging System (CCS), der von einem japanischen Industriekonsortium entwickelte CHAdeMO-Ladestandard sowie der Supercharger von Tesla.
Der in China entwickelte Ladestandard GB/T 27930 für das leitungsgebundene bzw. konduktive Laden eignet sich sowohl für Elektrofahrzeuge (EV) als auch für Hybrid-Elektrofahrzeuge (HEV). Veröffentlicht wurde der GB-Standard (GB steht für Guobiao, chinesisch für „Nationaler Standard“) vom China Electricity Council (CEC). Für das induktive bzw. kabellose Laden existiert eine separate Spezifikation, die vom CEC unter GB/T 38775 veröffentlich wurde.
Der leitungsgebundene Standard GB/T 27930 basiert auf dem Netzwerkprotokoll SAE J1939 und nutzt den CAN-Bus mit einer Punkt-zu-Punkt-Verbindung zwischen Ladesäule (Charger) und Batteriemanagementsystem (BMS).
Steckbrief
- Benutzt den CAN-Bus
- Protokoll basiert auf J1939
- Primäre CAN-Baudrate von 250 kBit/s, Absenkung auf bis zu 50 kBit/s möglich
- Immer nur zwei Teilnehmer, Ladesäule und BMS im Fahrzeug, die feste Adressen haben:
- 86 (56h) für die Ladesäule
- 244 (F4h) für das BMS
- Keine direkten Verbindungen zu anderen CAN-Systemen im Fahrzeug, wie z. B. dem Powertrain-CAN.
- Diagnosemöglichkeiten: 6 Diagnosebotschaften, DM1 bis DM6, sind definiert (nicht kompatibel zu SAE J1939)
Protokoll
GB/T 27930 – Anlehnung an SAE J1939
Die aktuelle Version des Standards liegt als GB/T 27930-2015 aus dem Jahr 2015 vor und hat die Fassung GB/T 27930-2011 abgelöst. GB/T 27930 lehnt sich an SAE J1939 an und nutzt dementsprechend einen CAN-Bus. Bei letzterem handelt es sich allerdings um eine reine Punkt-zu-Punkt-Verbindung zwischen Charger und BMS. Direkte Verbindungen zu anderen CAN-Systemen im Fahrzeug, wie zum Beispiel zum Powertrain-CAN, bestehen nicht.
Anlehnung an SAE J1939 | |
CAN ID | Zusammengesetzt aus Prio, PGN, SA und DA |
Transportprotokoll | Nur gerichtete Datenübertragung, auch als RTS/CTS oder CMDT bekannt (s. SAE J1939-21) |
Netzwerkmanagement | Knoten werden anhand ihrer Adressen identifiziert: - Charger: 86 (56h) - BMS: 244 (F4h) |
Baudrate | Standardmäßige Übertragungsrate: 250 kBit/s |
Diagnosebotschaften | Namen für Diagnosebotschaften: DM1 bis DM6 |
DTC | Zusammengesetzt aus SPN, FMI und OC |
GB/T 27930 und SAE J1939 – Unterschiede im Überblick
Trotz der starken Anlehnung an SAE J1939 sind einige wesentliche Unterschiede zu beachten. So gibt es bei GB/T 27930 keine Adressarbitrierung nach SAE J1939-81. Parametergruppen für Address Claiming, Commanded Address und Name Management sind folglich nicht bestimmt. Dies ist logisch und folgerichtig, denn bei der Ladekommunikation sind als Teilnehmer stets nur die Ladesäule und das Fahrzeug im Spiel. Die Spezifikation legt deren Adressen eindeutig fest: 86 (56h) für die Ladesäule und 244 (F4h) für das BMS. Und da der Request-Mechanismus aus SAE J1939-21 ausschließlich für die Diagnose verwendet wird, gibt es weder die Parametergruppe ACKN (PGN E800h) noch Request2 (PGN C900h) oder Transfer (PGN CA00h).
Vorsicht ist bei den Diagnosebotschaften geboten: GB/T 27930 verwendet zwar die Bezeichnungen DM1 bis DM6 und verpackt die Informationen über auftretende Probleme in DTC-Blöcke (Diagnostic Trouble Code), so wie es die SAE J1939-73 beschreibt, aber damit hören die Gemeinsamkeiten schon auf. Anders als die Namen sind die Parametergruppennummern (PGNs) abweichend von J1939 definiert und die DTCs starten nicht mit Byte 3, sondern mit Byte 1.
Unterschied zu SAE J1939 | |
CAN ID | Keine Variationen für: Priority, Source Address (SA) und Destination Address (DA) |
DLC | Botschaften mit Botschaftslängen (DLCs) kleiner 8 sind erlaubt |
Transportprotokoll | Kein BAM |
Netzwerkmanagement | Keine dynamische Adressenveränderung möglich, weder AC noch NM oder CA definiert |
Baudrate | Bei schlechter Leitungsqualität oder unter dem Einfluss externer Störfelder ist eine Absenkung von 250 kBit/s auf bis zu 50 kBit/s erlaubt. Baudrate von 500 kBit/s ist nicht definiert |
Botschaftsdefinition | Anders definiert als in J1939 Digital Annex |
Diagnosebotschaften | DM1 bis DM6 anders definiert als in J1939-73. DTCs starten nicht mit dem Byte 3, wie in J1939-73 beschrieben ist, sondern mit dem Byte 1 |
DTC | SPN und FMI anders definiert als in J1939-73 und J1939 Digital Annex |
GB/T 27930 – Fassungen von 2011 und 2015 im Vergleich
Die aktuelle Version des Standards liegt als GB/T 27930-2015 aus dem Jahr 2015 vor und hat die Fassung GB/T 27930-2011 abgelöst. Neben redaktionellen Änderungen unterscheidet sich GB/T 27930-2015 von der vorangegangenen Version durch folgende technische Modifikationen:
GB/T 27930-2011 | GB/T 27930-2015 | |
Neue Botschaftstypen | — | CHM, BHM |
J1939 Priority | Priority 6 für: RM, BCP, BCS, BMV, BMT und BSP | Priority 7 für: BRM, BCP, BCS, BMV, BMT und BSP |
Zykluszeit | 1 s für: BMV, BMT und BSP | 10 s für: BMV, BMT und BSP |
Botschafts-Layout: | ||
– BRM Länge | 41 Byte | 49 Byte |
– BCP: SPN2822 | Gesamtspannung | Aktuelle Spannung |
– BST: SPN3511 | 3 Suspensionsgründe | 4 Suspensionsgründe Hinzugefügt: - “charger actively suspends |
– BST: SPN3512 | 6 Suspensionsgründe | 8 Suspensionsgründe Hinzugefügt: - “high voltage relay fault” - “voltage detection fault” |
– CRM: SPN2561 | Länge: 1 Byte | Länge: 4 Byte |
– CRM: SPN2562 | Länge: 6 Byte, optional | Länge: 3 Byte, obligatorisch |
– CCS Länge | 6 Byte | 8 Byte |
– CCS: SPN3929 | nicht definiert | obligatorisch |
– CSD Länge | 5 Byte | 8 Byte |
– CSD: SPN3613 | 1 Byte | 4 Byte |
– CML Länge | 6 Byte | 8 Byte |
– CML: SPN2827 | nicht definiert | obligatorisch |
Zeitüberschreitungen: | ||
– BCL | 100 ms | 1 s |
– BCS | — | 5 s |
– CCS | 100 ms | 1 s |
Kommunikationsphasen
Überblick
Bei der Ladekommunikation geht es in erster Linie darum, dass sich das Batteriemanagementsystem und die Ladesäule über den Energiebedarf des Fahrzeugs sowie die beim Laden verwendeten Stromstärken und Spannungen einigen und den Ladevorgang überwachen. Bei dem GB/T-27930-Protokoll ist die Kommunikation während des Ladevorgangs in die folgenden Phasen eingeteilt:
1) Handshake Initiation
Die erste Phase der Kommunikation wird gestartet, nachdem die Ladesäule und das Fahrzeug über das Ladekabel verbunden sind. Der Ladevorgang hat noch nicht begonnen, es fließt kein Strom. Die Verbindung wird überprüft. Das Fahrzeug teilt der Ladesäule die höchstens zulässige Ladespannung mit.
2) Handshake Recognition
In der Handshake-Recognition-Phase ist die Verbindungsprüfung der Ladesäule abgeschlossen und es werden allgemeine Informationen, wie z. B. Protokollversion oder Fahrzeugdaten (Batterietype, Fahrzeug-Ident-Nummer etc.), ausgetauscht.
3) Parameter Configuration
In der Parameter-Configuration-Phase werden die Parameter des Ladevorgangs ausgehandelt. Dazu informiert das Fahrzeug die Ladesäule über die zulässige Stromstärke und Spannung. Im Gegenzug gibt die Ladesäule an das Fahrzeug die zur Verfügung stehende Stromstärke und Ladespannung weiter.
4) Charging
Wenn die Anforderungen des Fahrzeugs von der Ladesäule erfüllt werden können, wird in der Charging-Phase der Ladevorgang gestartet und die Batterie geladen. Während des Ladevorgangs informiert das Fahrzeug die Ladesäule regelmäßig über den aktuellen Ladezustand der Batterie.
5) Suspension of Charging
In der Suspension-of-Charging-Phase können beide Seiten den Ladevorgang beenden. Gründe für das Beenden können sein, dass die Batterie vollständig geladen oder dass während des Ladevorgangs ein Fehler aufgetreten ist.
6) End of Charging
In der End-of-Charging-Phase wird der Ladevorgang beendet und die Ladesäule stoppt die Energiezufuhr.
In jeder Phase der Ladekommunikation kann der Ladevorgang bei einem Fehler beendet werden. Die Ladesäule hat anschließend die Möglichkeit, den Ladevorgang erneut zu starten.
Phase 1 bis 4:
Botschaften und Zustandsübergänge
Die Phasen 1, 2, 3, 5 und 6 arbeiten nach dem gleichen Prinzip: Teilnehmer 1 beginnt mit dem Senden eines Datensatzes, zum Beispiel CHM (Charger Handshake Message). Daraufhin empfängt Teilnehmer 2 die CHM und führt die dementsprechende Aktion aus, etwa indem er die Verbindung prüft. Um zu signalisieren, dass er die Aktion erfolgreich ausgeführt hat, beginnt Teilnehmer 2 mit dem Senden von BHM (BMS Handshake Message) an Teilnehmer 1. Sobald Teilnehmer 1 die BHM empfangen hat, startet er seinerseits die damit korrespondierende Aktion und prüft zum Beispiel die Kompatibilität. Ist die Aufgabe erledigt, beginnt er eine weitere Botschaft zu senden. Die Vorgehensweise gleicht einem Fußballmatch, bei dem zwei Spieler das gegnerische Tor beziehungsweise Ziel erreichen, indem sie sich den Ball fortwährend gegenseitig zupassen (Bild 3).
Phase 4 bis 6:
Botschaften während der Energieübertragung
In Phase 4, dem eigentlichen Ladevorgang, verläuft die Kommunikation deutlich übersichtlicher, weil keine Zustandsübergänge mehr stattfinden. BMS und Charger senden sich ihre Botschaften zyklisch und unabhängig voneinander zu.
Das Fahrzeug leitet den Ladeprozess ein. Über die Botschaft BCL (Battery Charging Demand) sendet es die Anforderungen an die Ladesäule und informiert diese mithilfe der Botschaften BCS (Overall Battery Charging Status), BSM (Power Storage Battery Status Information) über den eigenen Zustand. Außerdem gibt es während der Ladens noch die drei optionalen Botschaften Single Power Storage Battery Voltage (BMV), Temperature of Power Storage Battery (BMT) sowie Reserved Message of Power Storage Battery (BSP), mit denen das Fahrzeug zusätzliche Informationen über seinen internen Zustand an die Ladesäule liefern kann.
Die Ladesäule wiederum versendet die Botschaft CCS (Charger‘s Charging Status) und informiert das Fahrzeug über seinen Zustand, den bereitgestellten Strom sowie die maximal generierbare Spannung.
Der Ladevorgang dauert so lange, bis entweder das Batteriemanagement oder die Ladesäule das Ende einleitet. Das passiert, wenn entweder der Akku vollständig geladen ist, die vorgegebene Ladedauer erreicht wird, oder wenn die Passagiere die Reise ohne vollgeladenen Akku fortsetzen wollen (Bild 4).
Kommunikationsfehler
Diese Fehler sind allgemeiner Natur und können während jeder Phase auftreten. Deswegen ist die Vorgehensweise immer gleich: derjenige Teilnehmer, der einen solchen Fehler erkannt hat, stellt seine reguläre Buskommunikation sowie Energiezufuhr (Charger) bzw. Energieabnahme (BMS) ein. Stattdessen fängt er an, die entsprechende Fehlerbotschaft zyklisch zu senden (Charger benutzt die Botschaft CEM, BMS die Botschaft BEM). Der andere Teilnehmer muss entsprechend reagieren und seine Kommunikation ebenfalls einstellen.
Technische Fehler
Fehler dieser Art können eigentlich nur während der Phase „Charging“ auftreten. Sie werden als eine reguläre Aufforderung zum Beenden des Ladevorgangs gemeldet und entsprechend behandelt (Bild 4). Der verursachende Fehler wird dabei über die entsprechende Suspending-Botschaft (CST für Charger und BST für BMS) kommuniziert.
Konformitäts- und Interoperabilitätstests
Testspezifikation GB/T 34658
Eng verbunden mit GB/T 27930 ist eine weitere Norm, die das Testen eines BMS bzw. einer Ladesäule beschreibt: GB/T 34658. Dort sind insgesamt 85 Testfälle definiert (42 für das BMS und 43 für die Ladesäule), die nach diesem Schema aufgebaut sind:
- Zuerst wird der Prüfling (entweder das BMS oder die Ladesäule) unter optimalen Bedingungen getestet. Das Testsystem verhält sich dabei streng nach Vorgaben der Norm GB/T 27930: alle Botschaften werden im korrekten Format und mit der korrekten Zykluszeit gesendet, alle übertragenen Informationen sind valid, alle Zustandsübergänge werden rechtzeitig vorgenommen. Der Prüfling soll seinerseits seinen Zustand rechtzeitig ändern und passende Botschaften in einem korrekten Format und mit der korrekten Zykluszeit senden. Für jeden Zustandswechsel gibt es immer einen passenden Testfall: 14 für das BMS und 15 für die Ladesäule.
- Danach wird geprüft ob eine Protokollverletzung vom Prüfling korrekt erkannt und signalisiert wird. Zu den möglichen Verletzungen gehören u. A.:
- Falsche Zykluszeit einer bestimmten Botschaft
- Ein verfrühter oder verspäteter Zustandswechsel
- Botschaften mit inkonsistenten Inhalten
Um diese Prüfung zu bestehen muss der Prüfling die Abweichung von der Norm nur dann als Fehler erkennen, wenn diese Abweichung eine in der Norm definierte Schwelle überschreitet. Ignorieren einer Verletzung wird ebenso als Fehler erkannt wie ein zu schneller Wechsel in den Fehlermodus. Hier gibt es für das BMS und für die Ladesäule jeweils 28 Testfälle.
Weiterentwicklung
ChaoJi – Harmonisierung des japanischen CHAdeMO- und des chinesischen GB/T-Ladestandards
Die beiden Landestandards CHAdeMO, veröffentlich von der CHAdeMO Association aus Japan, und GB/T 27930, veröffentlich von dem China Electricity Council (CEC) in China, haben 2018 eine Zusammenarbeit für die Entwicklung eines neuen Ladestandards (ChaoJi) angekündigt.
Ziel des neuen Standards ist eine sichere, vielseitige und schnelle Ladetechnologie (bis zu 900 kW) über ein vereinheitlichtes Ladeprotokoll und eine vereinheitlichte physikalische Infrastruktur.
Im ersten Schritt wird ein neuer Verbindungsstecker entwickelt. Über Adapter sollen auch Fahrzeuge, die nur den CHAdeMO- oder GB/T-Ladestandard unterstützen, an ChaoJi-Ladesäulen geladen werden können.
Die Kommunikationsprotokolle von CHAdeMO und GB/T 27930 werden vorerst beide weiterhin unterstützt. Von CHAdeMO wurde Version 3.0 veröffentlicht, in der Protokollerweiterungen für die Aushandlung des zu benutzenden Ladeprotokolls (CHAdeMO oder GB/T 27930) mit einer CHaoJi-Ladesäule enthalten sind. Von der GB/T-27930-Spezifikation wird im Jahr 2021 eine neue Version mit Anpassungen für CHaoJi erwartet. Ein neues, vereinheitlichtes Ladeprotokoll ist geplant, wird aber wegen der Rückwärtskompatibilität zu bestehenden Fahrzeugen erst später umgesetzt.
Fachartikel
ENTWICKLUNGSSTANDARDS
Ladekommunikation auf Chinesisch
GB/T-27930-konforme E-Fahrzeuge und Ladesäulen entwickeln und testen
Elektromobilität spielt insbesondere in China eine wichtige Rolle, immer mehr Fahrzeuge sind dort elektrisch auf den Straßen unterwegs. Dazu bedarf es einer flächendeckenden Ladeinfrastruktur. Damit E-Fahrzeug und Ladesäule sicher miteinander kommunizieren, sind Standards wie GB/T 27930 notwendig.